Nochmal zu den Flüchen allgemein: Uns ging es hier ähnlich wie bei den Liturgien darum, coole Beispiele zu geben, wie ein dramatischer Fluch aussehen könnte, also auf keinen Fall um einen festen Kanon von bekannten Flüchen, sondern um ein Abstecken der Bandbreite, die wir für spielerisch interessant halten. Balancing im klassischen Sinne hat dabei nicht so eine gewichtige Rolle gespielt, sondern eher der Gedanke: Woraus entsteht eventuell eine spannende Geschichte, ein Abenteuer? Idealerweise lässt ein Spielleiter einen Fluch jeweils nur einmal zu, alles andere wäre langweilig und entspräche auch nicht den Absichten der Azarai, damit möglichst ein dramaturgisches Ausrufezeichen zu setzen. Denn diese Flüche sollen ja dazu dienen, Ketzer gegen die Ordnung wirkunsgvoll zu brandmarken.
Naja, es gibt "böse" und es gibt "lächerlich stark". Grad-1 (oder gar Grad-0) Flüche mit permanenter Wirkung fallen für mich eher in die letztere Kategorie - zumal mit Ausnahme von "Möge die Rache in dir wachsen" kein anderer Fluch permanente Nachwirkungen hat. Bedenkt man, wie leicht es ist, einen Fluch zu vergeben (3 Aktionen in Sichtweite sein), frage ich mich schon, was die Idee dahinter war. Das restliche Regelwerk achtet ja durchaus auf einen gewissen Anflug von Balancing, wenn zum Beispiel die SFs der Schwertmeister mit entsprechend astronomischen Eigenschaftsvoraussetzungen versehen werden.
Die Idee bei diesem Fluch war in der Tat: ein gutes Abenteuer daraus zu machen. In meiner Spielrunde hat anno 1990 (oder so) der Sindayru-Azarai von Hamur den aventurischen Magier auf diese Weise verflucht, eine Idee, die aus "Das Fest der Schwertmeister" stammt. Ich zitiere mal zur Inspiration aus dem damaligen Abenteuer:
Für den Einsatz von Wundern gilt das gleiche wie für die anderen sechs Azarai. Die beiden Hohen Azarai verfügen zwar über mehr Karmaenergie, aber auch wenn sie den wahren Ernst der Lage begreifen, ist es ihnen wichtiger, die Macht ihres Gottes durch pompöse Wunder zu zeigen, als ihr Leben zu retten. Sobald einer der Azarai getötet wird, vor allem, wenn dies durch unehrenhaften Kampf geschieht, ist das die ideale Situation für einen "Fluch des sterbenden Azarai".
Dem sterbende Blinde streckt, am Boden liegend, seine Hand nach seinem Mörder aus und zischt: "Fluch dir! Möge dir die Erkenntnis für immer versperrt bleiben!"
Dem Verfluchte verliert in der folgenden Zeit alle fünf Tage einen Klugheits-Punkt. Bestehen Sie dabei auf rollengerechter Darstellung: Der Held wird vom raffinierten Veteran zu einem unreifen Abenteurer, dann, wenn er sich KL:8 nähert, zu einem primitiven Bauern, dann zu einem tumben Halbmenschen, zu einem Affen usw. - entsprechend den Regeln Regelheft 1.
Wenn der Held keine Erlösung findet, ehe er sich auf das Niveau eines Spulwurms zurückbildet, so muß der Spieler seinen Helden vorübergehend in den Ruhestand schicken, bis seine Freunde und seine Ersatzfigur ihn retten. Diese Rettung erfordert den tagelangen vollen Einsatz eines Tsa-, Hesinde- oder Peraine-Geweihten oder eine Groß tat in Tharun, die eine dieser aventurischen Göttinnen zu einem größeren Wunder bewegt.
Das Brechen dieses Fluchs, der zwischenzeitlich dazu geführt hat, dass unser Magier wirklich nur noch mit Murmeln gespielt hat (er nannte sie damals "Murmelmagie"), war ein echt spannendes Abenteuer.
Ein Azarai kann den Fluch ja auch selbst wieder aufheben, wenn er erreicht hat, was er damit erreichen will - etwa, dass ein Runenherr seine Steine opfert oder einen bestimmten Stein herausgibt, einen Schüler ausliefert oder dergleichen.
Ich gebe aber gern zu: Ich mag es gern drastisch und dramatisch, bevorzuge also ohnehin den "Fluch des sterbenden Azarai", der permanent wirkt.