Ich weiß, das Thema ist nicht besonders originell, aber wie zuletzt im Thread zum kommenden Militär-Band geschehen, prallen immer wieder gegensätzliche Erwartungen bzgl. der gewünschten Detaildichte (und deren Verbindlichkeit) eines offiziellen Myranors gegeneinander.
Ich hatte schon Probleme damit zu verstehen, warum es von einigen so problematisch gesehen wird, wenn die freieren Generierungsregeln von WnM die Möglichkeit geben, "unrealistische" (d.h. mit dem offiziellen Hintergrund schwer zu vereinbarende) Charaktere zu erstellen. In meiner Sicht ist das höchstens das Problem der jeweiligen Runde und auch nur dort zu lösen. So lange der Meister den Spielern nicht jedes abwegige Charakterkonzept durchgehen lässt, ist doch alles gut, oder? Und wenn ich einen Myrmidonen der 1. Zenturie, 3. Kohorte 2. Manipel der XIIISchlagmichtot spiele, dann ist es mir eigentlich relativ egal, ob irgendwo unter der Spielerschaft zufällig jemand exakt die gleiche Auswahl getroffen und damit die gleiche Ausbildung genossen aber sehr abweichende Talentwerte hat. Schlimmstenfalls begegnen wir uns mal auf einer Con und diese Unterschiede werden im Spiel offenbar. Aber da schätze ich die "Gefahr" wesentlich höher ein, dass sich mehrere Helden treffen, die allesamt für sich beanspruchen, Xarxaron vor dem Untergang gerettet zu haben, die Lamea begleitet zu haben etc. etc.. Wo ist der Unterschied? Ich verstehe es nicht, daher dieser Thread.
Mal andersherum überlegt, argumentiere ich immer, dass doch jeder sein Ding machen und nicht auf zu kleinteiligen Festlegungen bestehen soll. Warum ist es mir nicht egal, wenn alles festgelegt und mit Sternchen versehen würde? Warum nehme ich das Gegenargument nicht an, das alles nur als Anregung zu benutzen und für mich selber mein eigenes Ding zu machen, ungeachtet einer offiziellen Version, die anderen Fans einfach besonders wichtig ist?
Weil es die kreative Energie des Settings abwürgt. Autoren fangen an, sich nicht mehr ausleben zu können, weil ihre Werke in ein immer enger werdendes Korsett passen müssen. Das betrifft mich dann schon, weil ich gerne offizielle Abenteuer kaufe, sei es, um sie direkt zu spielen, oder einfach nur, um mich inspirieren zu lassen. Gute Ideen sind in einem "unfreien" Setting evtl. nicht mehr umsetzbar oder erfordern den Mut, sich über Setzungen hinweg zu setzen, was dann naturgemäß zu heftiger Kritik führt. Ist es nicht so, dass sich in Aventurien die Beschwerden häufen, dass Romane oder Abenteuer nicht Hintergrund-konform genug sind? Dass z.B. Antagonisten Sachen können, die Helden nicht offen stehen? Warum wird so etwas gemacht? Ich denke, es liegt hauptsächlich daran, dass das aventurische Korsett zu eng ist, dass es langweilig ist, sich immer nur der "erlaubten" Zutaten zu bedienen, dass es frustrierend ist, spannende Ideen nicht umsetzen zu können, oder mal etwas einrucksvoll neues zu präsentieren.
Ich habe es so verstanden, dass Myranor (u.a.) ein Resultat des Bedürfnisses nach mehr Ellenbogenfreiheit ist, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass die Redaktion in vielen Fällen dem häufig geäußerten Wunsch nach klareren Festlegungen bewusst nicht nachkommt. Ich verstehe, dass manche Spielleiter gerne eigene Sachen so planen wollen, dass sie zukünftigen Setzungen nicht widersprechen. Dass diese Sicherheit nicht gewährt wird, ist halt der Preis des offeneren Settings und es ärgert mich sehr, immer wieder zu lesen, dass Spieler, die gerade diese Offenheit bevorzugen, mit DSA eigentlich schon immer die falsche Wahl getroffen haben und besser das System wechseln sollten. Ich habe das Spiel in Aventurien geliebt, bis es mir aus hinlänglich diskutierten Gründen zu eng und unkreativ und damit frustrierend wurde. Myranor ist praktisch der Gegenimpuls zur aventurischen Entwicklung und hat, ebenso wie seine Fans, die gleiche Daseinsberechtigung im DSA-Universum.
Also mein abschließender Apell an die Freunde der Festlegungen: Ich hab mich schon aus Aventurien zurück gezogen. Sagt mir bitte nicht, dass auch in Myranor kein Platz für mich ist. Legt nicht aventurische Maßstäbe an Myranor an und lasst es bitte sein, der Redaktion vorzuwerfen, "alles falsch zu machen". Das ist unhöflich und eine rein subjektive Einschätzung. Myranor ist grundlegend anders als Aventurien und darf es auch sein, das ist quasi eine offizielle Festlegung.