Nach vielen Diskussionen zu Space 1889 ist die Charaktererschaffung meiner Meinung nach der größte Problempunkt, nicht das es zu kompliziert wäre, nein das ist es nicht, sondern das Regelsystem für die Charaktererschaffung harmoniert nicht mit dem System zur Charaktersteigerung, da beide unterschiedliche Maßstäbe anlegen, wodurch man im Prinzip gezwungen wird, extremes Min-Maxen zu betreiben, falls man nicht unzählige Erfahrungspunkte verschenken will.
Nehmen wir als Beispiel einen Spieler dessen Ziel ein Charakter mit den Primär Attributen 5, 5, 3, 2, 2, 2 ist. Bei der Charaktererzeugung kann er nur 15 der gewünschten 19 Punkte vergeben und muss den Rest später mit EP steigern. Je nach Startverteilung der 15 Punkte ergeben sich deutliche Unterschiede in den aufzuwendenden EPs.
- 5, 5, 2, 1, 1, 1 => 45 EP bis Ziel
- 5, 4, 2, 2, 1, 1 => 60 EP
- 5, 3, 2, 2, 2, 1 => 70 EP
- 4, 4, 2, 2, 2, 1 => 75 EP
- 5, 2, 2, 2, 2, 2 => 75 EP
- 4, 3, 2, 2, 2, 2 => 85 EP
- 3, 3, 3, 2, 2, 2 => 90 EP
Zwischen den beiden Extremen ergibt sich also eine Differenz von 45 EP, auf die kein Spieler freiwillig verzichten möchte. Dabei ist zu beachten, dass die Differenz noch weiter steigen kann, da bei den Fertigkeiten das gleiche Problem besteht. Wie groß die realen Unterschiede sind lässt sich am einfachsten erkennen, wenn man sämtliche Werte in EP umrechnet, dann ergibt sich für die veröffentlichten Beispielcharaktere folgendes Bild (
ohne die hier aufgeführten Korrekturen) :
Charakter | Punkte |
Automobilexperte | 260 |
Chemiker | 258 |
Dampftechnik-Ingenieur | 267 |
Diplomat | 270 |
Duellist | 267 |
Echsenmenschen-Schamanin | 245 |
Echsenmenschen-Seefahrer | 239 |
Entdecker | 281 |
Erfinderin | 307 |
Fährtensucherin | 253 |
Gesellschafts-Söldner | 238 |
Kaltland-Barbar | 280 |
Konstrukteur | 255 |
Luftpiratin | 246 |
Marsianischer Buttler | 266 |
Mathematischer Mönch | 255 |
Missionarin | 277 |
Offizier | 281 |
Orchideenjäger | 248 |
Prospektor | 264 |
Pseudowissenschaftler | 254 |
Sensationsreporter | 281 |
Siedlerin | 250 |
Steppenprinzessin | 286 |
Teemagnat | 231 |
Wagenmeisterin | 276 |
Xeno-Archälogin | 256 |
Wenn wir den Teemagnat aufgrund seiner Unvollständigkeit ignorieren, dann liegen zwischen dem Maximum (Erfinderin) und dem Minimum (Gesellschafts-Söldner) knapp 70 Erfahrungspunkte, also der Gegenwert einer ausgedehnten Kampagne mit 20 Sitzungen. Darauf wird kein Spieler verzichten wollen, nur um mit ausgewogeneren Werten zu starten.
Dieses Dilemma kann man lösen, wenn man die Erschaffung auf die gleiche Basis stellt, wie die Steigerungen, also statt aus verschiedenen Punkte-Pools, aus einem Start-Erfahrungspunkte-Pool schöpft und alles von Null an damit steigert. Der Mittelwert der Beispielcharakter liegt bei rund 263, was der geneigte Leser als Richtwert nutzen kann. Ich habe das natürlich nicht selber ausgerechnet, sondern die aufgewendeten Erfahrungspunkte werden in meinem
hier vorgestellten Charakterbogen mit angegeben. Vom Startpool sollten maximal 150 EP in die Primären Attribute fließen, 30 EP in die Talente / Ressourcen und der Rest in die Fertigkeiten und Spezialisierungen.
Die Kosten für die Spezialisierung sind im Gegensatz zu den Primären Attributen und den Fertigkeiten unabhängig von der Stufe der Spezialisierung. Der Grund dafür ist unklar und auch nicht einleuchtend, denn auch hier gilt wie bei den Fertigkeiten, dass erste Fortschritte im Lernen sehr viel einfacher sind, als durch sehr viel Mühe einen Meisterstatus zu erreichen. Ein weiteres Ziel ist die Charaktere schon frühzeitig zu Motivieren Spezialisierungen zu wählen, und diese bei niedrigen Stufen auch billiger zu machen, denn keiner wird drei Punkte in eine Spezialisierung stecken wenn er mit 4 Punkten die Fertigkeit von eins auf zwei heben kann. Dem kann man ohne die Balance zu gefährden Rechnung tragen, indem bei Spezialisierungen die neue Stufe gleich den EP Kosten gesetzt wird (1=1EP, 2=2EP, 3=3EP, 4=4EP, 5=5EP), was in der Summe ebenfalls 15 EP für die maximale Stufe 5 ergibt.
Das Steigern von Primären Attributen ist toll, da sich damit nicht nur diese, sondern auch die Sekundären Attribute, sowie die entsprechenden Fertigkeiten mitsteigern, doch führt das unter Umständen dazu, dass die Spieler fast ausschließlich die Primären steigern und die Fertigkeiten vernachlässigen. Und als Meister möchte man doch die Charaktere lieber nach einer „Schlösser Öffnen“ Probe, bzw. „Gaunerei“ Probe fragen, anstatt eine Geschicklichkeitsprobe zu verlangen.
Um das zu fördern können die Kosten für die Primären um den Faktor 2 erhöht werden (Startpool entsprechend erhöhen und etwas mehr EP pro Sitzung ausschütten)
In dem Zusammenhang können die 6 Talente zum Steigern der Primären Attribute ein Problem sein, einer meiner Mitspieler hatte vier! davon gewählt. Da in Realität kaum ein einzelne Person gleichzeitig Geschickt, Stark, Unverwüstlich, Intelligent, Willensstark und Charismatisch ist, bietet es sich an, die Nutzung dieser Attributstalente auf eins pro Charakter zu beschränken.
Auch das Talent Begabung birgt das Potential der Missbalance, wenn es bei einem Charakter mehrfach gewählt wird. Zudem ist es auch wenig realistisch, dass ein Charakter in einem halben Dutzend Fertigkeiten gleichzeitig begabt ist. Daher kann auch das Talent Begabung auf eine Nutzung pro Charakter beschränkt werden. Dies hebt dann auch die Einzigartigkeit des Charakters in genau dieser einer Fertigkeit gegenüber den den anderen Gruppenmitglieder hervor.
Das Alles führte in meiner Runde zu folgenden Hausregeln, die in dem erwähnten Charakterbogen, über eine Checkbox aktivierbar sind und mit denen wir seither sehr gut fahren:
Charaktererzeugung mit kompletter Umstellung auf EP von Beginn an
- Alle Kosten für Primärattribute sind doppelt so hoch wie bisher
- 400 EP Startkapital
- Davon maximal 300 EP in Primärattribute, voll bezahlt ab Startwert 0
- exakt 30 EP vom Startkapital gehen in die Talente und oder die Ressourcen
- Der Rest vom Startkapital (>=70 EP) geht in die Fertigkeiten und Spezialisierungen
- Kein Primärattribut darf dabei höher als 5 und maximal eines niedriger als 2 sein
- Von den 6 Primärattributstalenten darf jeder Charakter nur eins auswählen, danach nie mehr ein weiteres
- Jeder Charakter darf nur einmal das Talent Begabung wählen.
- Die Kosten für das Steigern einer Spezialisierung ändern sich zu:
Stufe 1=1EP, Stufe 2=2EP, Stufe 3=3EP, Stufe 4=4EP, Stufe 5=5EP), - Kein Primärattribut darf dabei höher als 5 und maximal eines niedriger als 2 sein
- Keine Nullfertigkeiten o.ä.
- Alle Primären Attribute haben ein Grundwertmaximum von 5. Stärke- und Konstitutionsmaximum können durch Größe modifiziert werden.
- Alle Fertigkeiten haben ein Maximum von 5.
Danke für die Aufmerksamkeit und nun dürft ihr drüber herfallen.
